Ich finde die Rolle des Brunos passt ganz wunderbar in das Setting der Serie. Bruno trägt proaktiv zum Chaos bei, indem er auf einer Dating-Plattform falsche Angaben macht, also quasi selbst ein Missverständnis herbeiführt. Ich will da auch nicht zu viel verraten, aber er gibt einen seiner größten „Mängel“ nicht an, wie es oft auf Dating-Plattformen der Fall ist. Die proaktiven und zufälligen Missverständnisse führen dann ins Chaos.
Die Serie kreist um die Frage «Warum ich?» – eine universelle Frage, die viele Lebenslagen betrifft. Was bedeutet diese Frage für Sie persönlich?
Dazu habe ich eine ambivalente Beziehung. WARUM ICH – ist für mich in erster Linie, zumindest heute, aktuell eine eher passive und vergangenheitsgerichtete Frage, die ich für mich selber, wenn überhaupt, in ein WOZU umwandle. Ich denke nicht: WARUM ICH? WAS HAT DAS LEBEN MIR NOCH ZU BIETEN? Ich frage mich lieber: WAS KANN ICH DEM LEBEN BIETEN? Das ist aktiver. Dennoch ist der WARUM-Begriff, um den Dingen auf den Kern zu fühlen, ein sehr wichtiger, wie ich finde. Denn wie Nietzsche schon sagte: „Wer ein Warum im Leben hat, erträgt fast jedes Wie.“ Aber die Serie entlarvt eben auch, dass diese WARUM-Suche ihre Grenzen hat und auch ein Ende haben muss.
„Casa Carmen“ ist wie ein Mikrokosmos menschlicher Dramen. Wie war es, in einem solch pointierten, fast theatralischen Ensemble mitzuwirken?
Es war großartig und hat mir viel Freude gemacht. Ich stehe parallel zu Dreharbeiten auch oft auf der Bühne. Daher kannte ich die Kolleg*innen aus Darmstadt und Berlin – einige persönlich von der Bühne oder der Leinwand. Von einigen bin ich natürlich auch ein großer Bewunderer. Es entsteht ein Ensemblegefühl, bei dem man einfach gemerkt hat, dass viel Erfahrung im Spiel hilft und eine große kreative Schaffenskraft entstanden ist.
Regisseur David Schalko inszeniert mit viel schwarzem Humor und gesellschaftlicher Zuspitzung. Wie haben Sie diesen Ton während des Drehs erlebt – und was hat Sie daran gereizt?
Ich bin David Schalko sehr dankbar, dass er so mutig war und sich Dinge getraut hat. Ich bin da immer noch ganz konservativ beim alten Schiller, der gesagt hat: "Die Komödie ist die Überwindung der Tragödie. Deshalb braucht es auch die Komödie." Und ich finde, gerade im internationalen Vergleich, sind wir in Deutschland noch sehr zurückhaltend und vorsichtig und wollen es, vielleicht auch historisch bedingt, immer richtig und korrekt machen, was natürlich das Kreative, Komische und das Lachen auch oft hemmt. Da sind die Österreicher mit ihrem "Schmäh" uns manchmal noch voraus. Deshalb hoffe ich, bald wieder mit David arbeiten zu dürfen.
Ihre Figur Bruno hat, wie viele andere in der Serie, ein Geheimnis oder eine innere Wunde. Ohne zu viel zu spoilern: Was war für Sie die größte Herausforderung bei der Darstellung?
Zunächst natürlich, mich auf meine Spielpartnerin einzulassen – ein Blinddate mit einer Burgtheater-Koryphäe - um dann aber schnell und erfrischend festzustellen, dass wir in unseren gemeinsamen Szenen auch dieselben Herausforderungen ansteuern. Dazu gehört sicher auch das Thema Vorurteile und Diskriminierung: Vorurteile versuchsweise zu ignorieren beziehungsweise so zu spielen, sie nicht zu ignorieren, und mit der Gefahr umzugehen, dass vermeintliche Diskriminierung nicht mit Diskriminierung beantwortet wird.
Die Serie wirft einen schonungslosen, aber auch ironischen Blick auf zwischenmenschliche Abgründe. Was glauben Sie: Lachen wir da über andere – oder doch eher über uns selbst?
Ich denke, viele von uns konsumieren bewusst oder unterbewusst Medien, um sich selbst und den eigenen Alltag und die eigenen Sorgen mal zu vergessen – und dann freuen wir uns, wenn wir dramatische Geschichten sehen, dass es bei uns zu Hause doch gar nicht so dramatisch ist. Wir freuen uns, andere zu sehen, denen es schlechter geht, um uns besser zu fühlen. Das ist eine fiese Unterstellung, aber manchmal ist da was dran. Und dann lachen wir aber auch, wenn wir uns entlarvt fühlen, weil wir etwas von zu Hause kennen – und darin liegen Emotionen, mit denen wir uns identifizieren können. Diese Stoffe bringen uns dann zum Lachen, was ich als eine Art Befreiungsakt sehr gut finde,
Sie haben bereits in unterschiedlichsten Formaten gespielt – Theater, Film, Serien. Was war bei diesem Dreh für Sie besonders oder vielleicht sogar neu?
Sehr offensichtlich neu an dieser Serie ist, dass sie sich einer Grundfrage menschlichen Lebens widmet – und zwar durchgehend, durch die ganze Serie. Das habe ich so in der Form noch nicht erlebt. Aber wie schon erwähnt: Das ganze Ensemble ist etwas besonderes. Und dann – da muss ich jetzt vorsichtig sein, dass ich nicht zu viel verrate – es ist für mich nicht neu, dass ich in vermeintlichen Opferrollen gelesen werde, die ich tendenziell eher absage. Aber neu ist, dass ich in der Bedürftigkeitshaltung bin, dann aber schnell als Täter entlarvt werde und mit weiteren Täterfiguren gemeinsame Sache mache, dann aber wieder im vermeintlichen Tabubruch zum Opfer werde.
Wie haben Sie die Zusammenarbeit mit dem Ensemble erlebt – etwa mit Stefanie Dvorak, Lionel Hesse oder Nadeshda Brennicke? Gab es eine Szene, die Ihnen besonders im Gedächtnis geblieben ist?
Ja, das ist die Szene mit Bjarne Mädel. Ich finde, bis heute ist eines der zurecht erfolgreichsten Serienformate «Stromberg», und eine der wichtigsten Rolle darin spielt für mich Bjarne. Dieser hat auch längst mit seiner eigenen Serie, dem «Tatortreiniger», Kultstatus erreicht. Jetzt unmittelbar mit ihm zu spielen, war für mich eine große Freude und Ehre. Wir hatten eine ähnliche Humorebene. Ich habe ihn gleich für ein eigenes Projekt angefragt.
Die Serie vereint große Namen wie Charly Hübner, Andrea Sawatzki, Nora Waldstätten und Bjarne Mädel. Wie fühlt es sich an, Teil dieses hochkarätigen Casts zu sein?
(lacht) Was ich noch ergänzen kann ist, dass es eine große Freude und Ehre war und mich mit viel Ehrfurcht erfüllt hat. Es war gleichzeitig auch ein kleines Klassentreffen mit dem Wiedersehen vieler Kollegen.
Wenn sich das Publikum nach dem Schauen auch fragt «Warum ich?», was wäre Ihnen als Antwort am liebsten? Was möchten Sie, dass von Ihrer Episode – oder der Serie allgemein – hängen bleibt?
Ich würde mich freuen, wenn hängen bleibt, dass wir nicht alleine sind mit dieser Frage WARUM ICH – dass sich diese Frage viele Menschen in unterschiedlichen Kontexten stellen. Denn es ist wichtig, sich immer wieder daran zu erinnern: Wir sind nicht allein. Wir sind vielleicht hilfsbedürftig, aber nicht hilflos. Wir können uns mit unseren Fragen auch an andere wenden, denn die WARUM-Frage steckt in allen von uns. Wir wollen die Dinge und das Leben verstehen. Diese Serie zeigt gut, dass viele Dinge einfach passieren, und ihnen eine zufällige oder geplante Abfolge von Chaos, Möglichkeiten und Erbschaften zugrunde liegt. Mich würde freuen, wenn das zu einer Befreiungserkenntnisse führt. Wir Menschen müssen akzeptieren, dass wir nicht alles verstehen können und auch nicht alles verstehen müssen. Daran glaube ich, dass darin eine besonders große Kraft liegt.
Vielen Dank für dieses Gespräch!
«Warum ich?» ist ab Freitag in der ARD Mediathek verfügbar.
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